R Schumann: Rückzug und Revolution (2/3)

Welche Spuren hinterließen die Erfahrungen der Revolution bei Schumann? In seiner Musik ganz andere, als man zunächst vermuten würde. Die Romanzen op. 94 stehen dadurch in neuem, unerwartetem Licht.
 
“Auf mich hat die ganze Zeit anregend im höchsten Grad gewirkt. Nie war ich thätiger, nie glücklicher in der Kunst”, schreibt Robert Schumann angesichts des endgültigen Zusammenbruchs der Revolution in einem Brief an Eduard Krüger am 29. November 1849, eine gute Woche, bevor er die Komposition der Romanzen beginnt. Wie eine Selbsttherapie als Gegengewicht zu schrecklichen Zeitereignissen erscheint diese Musik von sehr privater, zurückgezogener Qualität, die Schumann in den Revolutionsjahren schreibt. Nicht nur eindeutige Gelegenheitswerke, wie die erst posthum erschienenen Chorlieder “Zu den Waffen”, “Schwarz-Rot-Gold” und “Deutscher Freiheitsgesang” oder die “Märsche” op. 76 tragen den direkten Stempel ihrer Zeit, sondern vor allem ist es diese zarte, idyllische Musik, die er als Reaktion auf traumatische Erlebnisse schreibt. Direkt nach der Flucht arbeitet er in Kreischa am Liederalbum für die Jugend op. 79. Stücke wie das “Album für die Jugend” op.68, die “Fünf Stücke im Volkston” op. 102 oder die Romanzen op. 94 sind von dieser Stimmung erfüllt. Selbst Clara findet es „merkwürdig, […] wie die Schrecknisse von außen seine innern poetischen Gefühle in so ganz entgegengesetzter Weise erweckt. Über den ganzen Liedern schwebt ein Hauch der höchsten Friedlichkeit, mir kommt alles darin wie Frühling vor, lachend wie die Blüten.“
 
 

Robert Schumann im März 1850. Quelle: wikimedia.org

Immer wieder begibt sich Schumann in das Spannungsverhältnis zwischen einem Rückzug nach Innen auf der einen Seite und der Umdeutung der Situation in eine “positive Idylle” auf der anderen. Für ihn ist dies allerdings keineswegs unvereinbar, sondern wird sogar zum künstlerischem Anspruch: „Von den Schmerzen und Freuden, die die Zeit bewegen, der Musik zu erzählen, dies, fühl ich, ist mir vor vielen Andern zuertheilt worden. Und daß Sie es den Leuten manchmal vorhalten, wie stark eben meine Musik in der Gegenwart wurzelt und etwas anderes will als nur Wohlklang und angenehme Unterhaltung, dies freut mich und muntert mich auf zu höherem Streben.“ (Schumann an Franz Brendel am 17. Juni 1849)
 
Diesen Geist atmen die zahlreichen Duostücke für Klavier und ein Soloinstrument, die Schumann 1849 schreibt. Im Februar das Adagio und Allegro für Horn und die Fantasiestücke für Klarinette, im April die Fünf Stücke im Volkston für Violoncello und im Dezember die Romanzen für Oboe. Fast kann man hier von einem neuen Genre sprechen, bei dem Schumann kompositorischen Tiefgang in das Private, Heimische bringt. Es entsteht so eine großartige “miniaturistische Enzyklopädie”, ein “Wörterbuch seiner musikalischen Sprache” (Gülke), weil er sich ganz auf exemplarische Gesten und Details beschränkt. In den Romanzen gelingt ihm so auf geniale Weise, große Formen auf engstem Raum zu erzählen (→ siehe R Schumann: Op 94 – die Sonate auf engstem Raum? (3/3) )
 
Quellen / weiterführende Literatur
 
Martin Geck. Zwischen Romantik und Restauration. Musik im Realismus-Diskurs der Jahre 1848. – 1871 Stuttgart: J. B. Metzler Verlag 2001
 
Martin Geck. Robert Schumann. Mensch und Musiker der Romantik. München: Siedler Verlag 2010
 
Peter Gülke. Neuaufbruch und Enklave – Schumann und der Maiaufstand. in: Dresdner Hefte. Herausgegeben durch den Dresdner Geschichtsverein e.V., Heft 102, 2/2010
 
Wolfgang Mende. „[…] nie hätte ich den Sachsen so viel Mut zugetraut“ – Robert und Clara Schumann und die Revolution. in: Clara und Robert Schumann in Dresden – Eine Spurensuche. Köln: Verlag Dohr 2014