Bridges

Juri Vallentin: « Bridges » (2018)

 

 

 

/Bridges/

Release: 5 Oct 2018

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Juri Vallentin, Oboe
Philipp Heiß, Klavier
Elina Albach, Cembalo
Theo Plath, Fagott
Patrick Sepec, Viola da gamba

 

Werke von Gilles Silvestrini, Johann Christoph Pez, Robert Schumann, Toshio Hosokawa,
Pavel Haas, François Couperin und Gabriel Erkoreka.

 

 

Gilles Silvestrini – Alii Mundi (Auszug)

 

Musik spannt stets einen Bogen: zur Gegenwart, in der sie entsteht, zur Geschichte, der sie sich verdankt, und zur Zukunft, zu der sie strebt. Oft bleiben die Brücken fragil. Diese Spannung bestimmt meine Auswahl für das Programm der CD. Die Vier Lieder nach Worten chinesischer Poesie von Pavel Haas sind für mich ein eindrucksvolles Beispiel: Der Liederzyklus über unerfüllte Sehnsucht nach Heimkehr entstand 1944 in Theresienstadt. Das auf den ersten Blick unscheinbare Werk wurde im Lager innerhalb weniger Monate über fünfzehn Mal aufgeführt. Heute bleibt es für uns das letzte überlieferte Werk und das künstlerische Vermächtnis des Komponisten.

 

Pavel Haas – Suita (Auszug)

 

Bei der Komposition der Lieder bezog sich Haas auf ein früheres Werk, das er 1939 in Brünn kurz vor seiner Deportation geschrieben hatte: die Suita op. 17 für Oboe und Klavier. Dieses Stück ist nur die Skizze für einen unvollendeten Liederzyklus, dessen Text uns nicht überliefert ist. Aber die Suita nimmt wesentliche musikalische Symbole der Lieder von 1944 bereits vorweg: Fünf Jahre später greift Haas seine Ideen unter noch bedrohlicheren Umständen wieder auf und entwickelt sie im Ghetto zu den Vier Liedern.

 

Diese Geschichte zeigt, wie untrennbar Musik mit aktuellem Zeitgeschehen verbunden ist. Sie bringt auf unmittelbarste Art und Weise Themen und innere Zustände zum Ausdruck, die Menschen existentiell bewegen. Der Spannungsbogen zwischen Bekanntem und Fremdem, zwischen Heimkehr und Heimatverlust, zwischen Aufbruch und Sehnsucht steht auch heute im Zentrum gesellschaftlicher und politischer Diskussionen und prägt Grundfragen des Menschseins. Ein kleines Stück Musik kann so auf seine Weise verdichtet Weltgeschichte zeigen. Auch in anderen Kompositionen spielen diese spannungsreichen, oft aber fragmentarischen Verbindungen eine tragende Rolle. Das Programm der CD kombiniert Musik aus fünf Jahrhunderten, deren Beziehung vielleicht nicht ofensichtlich ist, aber gerade deshalb der Entdeckung harrt. Jedes Werk beleuchtet die große Frage nach Fremdem und Eigenem durch den historischen Kontext oder die musikalische Formsprache aus einer bestimmten zeitlichen und künstlerischen Perspektive.

 

Johann Christoph Pez – Sÿmphonia, Largo

 

Auf dem Weg zur Zusammenstellung dieses Programms stieß ich während meiner Recherche immer wieder auf wichtige Zusammenhänge, kleine Geschichten und überraschende Details. Obwohl diese in einem Booklet keinen Platz haben, möchte ich sie den Hörerinnen und Hörern nicht vorenthalten, weil sie die Musik in einem tieferen Resonanzraum erklingen lassen. Deshalb schreibe ich in einem Blog über den Hintergrund jedes dieser Werke. Darin kommen Interpretationen alter Manuskripte wie auch meine persönliche Auslegung der Musik bis hin zur Zusammenarbeit mit drei Komponisten der Gegenwart zur Sprache. Außerdem ermöglicht der Blog eine Art „Blick in den Probenraum“ meiner künstlerischen Arbeit. Ich möchte Sie einladen, durch diese Zusammenstellung von Bekanntem und Unbekanntem sowie Befriedendem und Erschreckendem Schattierungen und unerwartete Brücken in der Musik zu entdecken, die beim gewohnten Hören verborgen blieben.

 

Robert Schumann – Drei Romanzen op. 94, Nr. 2

 

 

Aufgenommen in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin, Deutschland, am 4.–8. April 2018 mit der Genuin-Toningenieurin Claudia Neumann

 

 

Trackliste

  • Gilles Silvestrini (*1961)
    1. Alii mundi*aus Six Études Pittoresques
  • Oboe solo
  • Johann Christoph Pez (1664–1716)
  • Sÿmphonia*
    1. Adagio
    2. Allegro
    3. Largo
    4. Passacaglia
    5. Adagio – Gigue
  • Oboe und B.c. (Cembalo und Fagott)
  • Robert Schumann (1810–1856)
  • Drei Romanzen op. 94
    1. Nicht schnell
    2. Einfach, innig
    3. Nicht schnell
  • Oboe und Klavier
  • Toshio Hosokawa (*1955)
    1. Spell Song*
  • Oboe solo
  • Pavel Haas (1899–1944)
  • Suita op. 17
    1. I
    2. II
    3. III
  • Oboe und Klavier
  • François Couperin (1668–1733)
  • Septième concert royal, extrait des Goûts-réunis
    1. (Prélude)
    2. Allemande
    3. Sarabande
    4. Fuguète
    5. Gavotte
    6. Siciliènne
  • Oboe und B.c. (Cembalo und Viola da gamba)
  • Gabriel Erkoreka (*1969)
    1. Duduk I-b* (2000 / 2017)
  • Oboe solo

 

* Erstaufnahmen